02.05.2016
»Executive Assessments« für hochrangige Führungskräfte – auch als »Management Audit«, »Management Appraisal« oder »Einzel-AC« bezeichnet – sind immer noch vergleichsweise selten, dazu auch kaum beschrieben. Aufbauend auf einer Vorgängerstudie (Stulle & Weinert, 2012) werden in diesem Herausgeberwerk auf knapp 400 Seiten nun erstmalig die Vorgehensweisen der renommierten Anbieter für solche Verfahren vergleichend dargestellt. Dabei zeigt sich, dass sich solche Assessments zu vollständigen Verfahren samt Methodenmix entwickelt haben. Neben dem weiterhin unverzichtbaren biographie- oder kompetenzbasierten Interview sind meist auch Rollenspiele / Simulationen, Vorträge, Case-Studies und auch psychometrische Testverfahren enthalten.
Auch der Charakter der Veranstaltung bewegt sich weg von einer a-symmetrischen Prüfungssituation mit den Ergebnismöglichkeiten »Bestanden oder Durchgefallen«. In Zeiten des zunehmenden »War for Talents« wird neben dem Auftraggeber auch der Teilnehmer zunehmend als ernstzunehmender Kunde verstanden, dem neben differenziertem, aber stets wertschätzendem Dienstleistung direkt schon erste Coaching-Elemente für seine weitere Entwicklung angeboten werden.
Neben übergreifenden Trends werden auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Assessment-Anbieter deutlich: Einige versuchen möglichst realistisch eine virtuelle Management-Realität abzubilden, die dann entlang fest-definierter Bewertungsanker bewertet wird und externe »Benchmarks« als Quervergleich ermöglichen soll. Andere hingegen betonen vielmehr die Einzigartigkeit jedes Executive Assessments, das behutsam entlang der Kundenerwartungen konfiguriert werden muss. Am Ende ist jedes Produkt als »People Business« abhängig von der Qualität der handelnden Akteure.
Letztlich resultiert die folgende Quintessenz für die Auswahl hochrangiger Führungskräfte:
»Makellose« Manager sind und bleiben auch weiterhin eine Illusion. Mehr denn je wird sich in Zukunft bewahrheiten, dass sich ihre »Schwächen nur begrenzt schwächen« lassen. Der allgemeine Zugang wird vielmehr in »Stärken stärken« liegen. Dies bedeutet für die Beurteilung, echte Erfolgsfaktoren der Persönlichkeitsstruktur trennscharf heraus zu arbeiten und bewusst zu machen. Die anschließende Personalentwicklung sollte dann vermehrt darauf achten, dass die Stärken im beruflichen Alltag auch zum Einsatz kommen [können]. Denn Unternehmen und Mitarbeitern dürfte gleichermaßen daran gelegen sein, entlang ihrer Stärken verstanden und eingesetzt zu werden, und ein professionelles Executive Assessment stellt zweifelsohne einen entscheidenden Schritt in diese Richtung dar. Zusammengefasst in drei Wörter lautet die zentrale Forderung für eine zeitgemäße Management-Diagnostik: Verstehen statt Bewerten!
»Executive Assessment – Instrumente, Trends, Herausforderungen«
Stephan Weinert, Klaus P. Stulle
Springer Gabler, Auflage 2015, ISBN: 978-3-662-46711-4