07.08.2017
Wenn du einen Geschäftsführer oder Vorstand fragst, was er über ein Hochleistungsteam denkt, dann kriegt der strahlende Augen: »Daumen hoch!« Und dann frag mal einen Personaler, was der von der Sache hält. Ui, der wird dir was husten. »Nee, bloß nicht noch mehr auf die Leute drauf packen. Die laufen doch schon am Limit.«
Aber geht es wirklich darum, noch mehr zu ackern? Stefan Lammers, Executive-Coach aus Düsseldorf, verneint: »Die Leute in Hochleistungsteams arbeiten nicht mehr als andere. Sie arbeiten anders!«
Team Plus
Hochleistung heiüt laut Lammers nicht ein Mehr an Input. Es ginge viel mehr darum, dass am Ende ein Mehr an Leistung entsteht. Und zwar ganz automatisch. »Die Leute in diesen Teams haben ein gemeinsames Verständnis für das Ziel. Sie haben schlicht Bock auf das Thema. Sie übernehmen deshalb echte Verantwortung – sowohl für die Zielerreichung als auch füreinander«, erklärt Lammers die über-Performance. Das klingt erstmal ganz simpel. Gemeinsame Verantwortung – das ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Aber wenn wir uns reguläre Teams anschauen, dann sehen die in der Regel ganz anders aus. Hier arbeiten Menschen an einem vorgegebenen Ziel, zumeist kraft Stellenbeschreibung und Hierarchie. Jeder versucht, seine Performance zu optimieren und sich ins rechte Licht zu rücken. In diesem Spiel muss Leistung auf der Strecke bleiben. Ein gemeinsames Verständnis und Handeln setzt hingegen ganz andere Kräfte frei. »Da werden schon mal 120 Äpfel statt nur 100 gepflückt. Nicht, weil man muss. Sondern weil man will und es Spaü macht«, so Lammers.
Hochleistung in fünf Schritten
Wenn Hochleistungsteams so genial sind, sollte jeder eines haben. Doch wie baust du so ein Team am besten auf? Der Executive-Coach empfiehlt fünf Stufen.
1. Die Idee
Am Anfang steht eine Frage. Ein Gedanke. Ein Traum. Möglicherweise ist da der Gründer mit seiner Dienstleistungs-Idee. Oder der Abteilungsleiter Entwicklung will den Prozess, wie Autos im Unternehmen entwickelt werden, auf links drehen und endlich den Wettbewerb abhängen.
2. Die Menschen
Steht die Idee, dann sucht sich der Chef, der Gründer oder wer auch immer der Ideengeber ist, die passenden Leute zusammen. In dieser Stufe ist Ehrlichkeit das A und O. Sowohl der Chef muss auf Herz und Nieren prüfen: Passt der- oder diejenige in dieses Team? Genauso gut muss der Mitarbeiter oder wen auch immer der Ideengeber anspricht, ehrlich zu sich und zu den anderen sein: Kann und will ich das Ziel wirklich unterschreiben? Denn genau diese Einstellung ist es, auf die es in allererster Linie ankommt. Fachliche Qualifikationen lassen sich leicht nachrüsten. Der Ideengeber ist stets unverzichtbarer Bestandteil des Teams. Nicht, weil er die Lösung schon im Hinterkopf hat und nur noch Erfüllungsgehilfen braucht. Nein, seine Aufgabe besteht vielmehr darin, den Rahmen des Teams zu ziehen – und ihn im gesamten Prozess zu wahren.
3. Die Rollen
Sind die passenden Menschen am Start, dann geht es darum, die Rollen bestmöglich zu besetzen. Das ist in etwa vergleichbar mit einem guten Theaterstück. Nicht jeder in der Truppe ist der geborene jugendliche Liebhaber. Mancher glänzt vielmehr in der Rolle des provokanten Anwalts. Wieder ein anderer gibt den perfekten verschrobenen Tüftler ab. Nur, wenn die Rollen passend besetzt sind, kann das Stück erfolgreich werden – und Standing Ovations ernten. Nur wenn im Team jeder nach seinen Fähigkeiten und Neigungen tätig werden kann, ist Hochleistung möglich.
4. Die Spielregeln
Hochleistung braucht einen angstfreien Raum – einen Raum, in dem das Team Lösungsansätze kreieren und diese auch ausprobieren darf. Scheitern ausdrücklich erlaubt. Um derart produktiv sein zu können, braucht es Spielregeln, Klarheit und vor allem Konsequenz. Regeln, die sicherstellen, dass sich jeder Teilnehmer ohne Sanktionen ausleben kann. Spielregeln, die ein gemeinsames Lernen möglich machen. Auch voneinander. Dafür ist es wichtig, eine passende Feedbackkultur im Team zu entwickeln. »Ich rate dabei von den gängigen dualen Feedbackgesprächen ab. Das verzögert den Lernprozess der Gruppe unnötig«, erklärt Stefan Lammers. »Viel wirksamer ist ein Feedback direkt in der Situation vor der ganzen Gruppe. Klar, das klingt erstmal hart. Man will ja denjenigen, der sich gerade falsch verhalten hat, nicht bloüstellen.« Dennoch sei genau dieses Vorgehen wichtig. Denn nur so könne die gesamte Gruppe aus dem Fehlverhalten lernen – und zwar sofort und nicht mühsam im Nachhinein. Auüerdem würden Menschen am besten mit Emotionen lernen. Noch ein Argument für das unmittelbare Feedback. Mit Unhöflichkeit hätte das nichts zu tun, so Lammers. »Wenn ich diese Feedback-Regel vorher mit der Gruppe festschreibe, dann haben sich alle auf exakt dieses Vorgehen geeinigt und kommen damit klar.«
5. Der Fokus
Die Spielregeln prägen die Performance. Wenn das Team auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet, wenn es sich ausprobieren und lernen darf, wenn es dabei in einem fairen kontinuierlichen Feedback-Prozess steckt, dann ist es auch kein Problem, wenn auf der gemeinsamen Reise ursprüngliche Prioritäten in Frage gestellt werden. Möglicherweise stellt sich heraus, dass der Fokus sich ein Stück nach links verschiebt. Dann wird genau das offen thematisiert. Ohne, dass jemand Angst davor haben müsste, sein Gesicht zu verlieren. Hier steht ausschlieülich die Frage zur Debatte: »Ist es das, was wir wollen? Wie können wir das Beste erreichen?«
Frag nicht, was dein Team für dich tun kann
Wenn du ein Hochleistungsteam zusammenstellst, dann musst du als Führungskraft vor allem eines tun: dich selbst zurücknehmen. Gerade weil es darum geht, nicht einfach die passenden fachlichen Qualifikationen abzuhaken und die Mannen von Meilenstein zu Meilenstein zu steuern. Gerade weil du es hier mit echten Leistungsträgern zu tun hast, die exakt für diese Aufgabe brennen – und die sich dabei einen Dreck um hierarchische Strukturen scheren. »Sich zurückzunehmen und dann an der richtigen Stelle wieder Führung zu übernehmen ohne Selbstverantwortung zu klauen, damit tun sich Führungskräfte in klassischen Organisationen oft schwer«, weiü Stefan Lammers. »Bei einer hierarchiegetriebenen Team-Zusammenstellung achtet die Führungskraft oft darauf, dass die Mitarbeiter im Team nicht stärker sind als sie selbst. Die eigene Autorität ist heilig und darf nicht angekratzt werden.« Loszulassen und andere dabei zu unterstützen, über sich selbst – und eben auch über den Vorgesetzten – hinauszuwachsen, das sei die eigentliche Herausforderung, die Führungskräfte bei der Zusammenstellung von Hochleistungsteams zu meistern hätten.
Vorsicht Ego-Falle!
Wenn es dann steht, das Team, und all die Regeln für Kommunikation im Allgemeinen und Feedback im Besonderen auf dem Flipchart prangen, dann ist das ein wichtiger Schritt. Klar. Aber jetzt fängt die eigentliche Herausforderung erst an. Jetzt geht es darum, dieses produktive Klima aufrechtzuerhalten. Dabei warnt Lammers vor einem verdammt starken Gegenspieler. »Ich erlebe immer wieder, dass das menschliche Ego in das Miteinander hinein grätscht und das produktive Klima verhagelt«, beschreibt Lammers die Gefahr. »Plötzlich kommt irgendeiner mit breiter Brust daher und stellt sich auf die Bühne. Wenn die Führungskraft an der Stelle nicht sofort interveniert, dann kommt es zu Spannungen im Team. Nach und nach werden auch die anderen in die gleiche Kerbe hauen und statt des gemeinsamen Ziels vor allem ihren eigenen Status im Auge haben.«
Jetzt beginnt der schleichende Tod. Unser Hochleistungsteam erlebt einen Rückfall in tradierte Verhaltensmuster. Status, Position und persönlicher Erfolg gewinnen plötzlich die Oberhand. Wenn das passiert, ist Hochleistung passé – und eigentlich kannst du das Team in diesem Moment direkt auflösen. Genau aus diesem Grund sei ein starker Vorgesetzter so wichtig. Nicht, weil es jemanden bräuchte, der die Fäden zieht und Ergebnisse abhakt. Nein, es braucht einen Hüter des Leistungsklimas. »Für einen selbst ist egoistisches Verhalten ein Blind Spot«, erklärt der Executive-Coach. »Deswegen ist es wichtig, dass ein Auüenstehender darauf hinweist. Und zwar in genau der Situation, vor der Gruppe. Das funktioniert natürlich nur, wenn der andere sich dann nicht auf den Schlips getreten fühlt, sondern die Ansage tatsächlich als hilfreichen Wink versteht.«
Quelle: t3n – digital pioneers